Christoph Spering · Chorus Musicus Köln · Das Neue Orchester

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%A, 06UTCTue, 06 Nov 2012 14:14:23 +0000 %e. %B %Y by sper_chr_autor

Rheinischer Merkur 04/2004: Geniestreich der jungen Männer

JUBILÄUM / Felix Mendelssohn Bartholdy riss alle mit: Vor 175 Jahren hat der Romantiker Bachs vergessene Matthäuspassion wieder zum Leben erweckt

Die Aufführung in Berlin veränderte die Musikwelt wie kein anderes Ereignis: Plötzlich stand das Tor weit auf für die Tonkunst der Vergangenheit.

Hilde Malcomess

MUTPROBE: Der Dirigent Christoph Spering hat es mit dem Chorus Musicus Köln riskiert, Mendelssohns aus der Mode gekommene Fassung der Passion aufzuführen – sie klingt viel schmissiger und dramatischer als das barocke Original.

“Ein wichtiges und glückliches Ereignis steht der musikalischen Welt, zunächst aber Berlin nahe bevor“, verkündet die „Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung“ am 21. Februar 1829: „In den ersten Tagen des März wird unter der Direktion des Herrn Felix Mendelssohn Bartholdy ,Die Passionsmusik nach dem Evangelisten Matthäus’ von Johann Sebastian Bach aufgeführt werden. Das größte und heiligste Werk des größten Tondichters tritt damit nach einer fast hundertjährigen Verborgenheit in das Leben, eine Hochfeier der Religion und der Kunst.“

Das Pathos der Bekanntmachung verblüfft. Bachs Matthäuspassion ist uns heute vertrauter als die Musik vieler unserer Zeitgenossen. Doch solch innige Nähe eines breiten Publikums zum Werk einer vergangenen Epoche war bis zur Wiederaufführung der Matthäuspassion am 11. März 1829 undenkbar. Bis etwa 1820 bestimmten stets die neu komponierten, zeitgenössischen Stücke den Musikbetrieb. Ein historisches Interesse an älteren Kompositionen und verstorbenen Tonsetzern war der Öffentlichkeit völlig fremd. Auch Bach gehörte fünfzig Jahre nach seinem Tod zu den im allgemeinen Bewusstsein vergessenen Meistern. Seine Kunst, vornehmlich die Klaviermusik, wurde lediglich in Expertenkreisen gepflegt – beispielsweise bei den Hausmusiken des Barons van Swieten, wo Mozart das Werk Bachs kennen lernte.

Dass unser heutiges Konzertleben einem klingenden Museum gleicht, ist eine Entwicklung, zu der Felix Mendelssohn Bartholdys Wiederaufführung der Matthäuspassion den Startschuss gab. Denn sie entfachte in ganz Deutschland erstmals das Feuer für ein historisches Musikwerk. Niemals zuvor hatte es eine vergleichbare musikalische Sensation gegeben, die die Kenner ebenso bewegte wie das breite Publikum. Selbst die Wiederaufführungen des „Messias“, der „Schöpfung“ und von Beethovens Neunter blieben in ihrer Resonanz dahinter zurück. Einzig die Uraufführung des „Parsifal“ 1882 in Bayreuth war von ähnlicher öffentlicher Anteilnahme der gebildeten Welt begleitet.

Eine gern tradierte Legende erzählt, Mendelssohn habe mit seiner Tat Bach dem völligen Vergessen entrissen und diesen „größten deutschen Tondichter“, wie er in nationalem Stolz bald tituliert wurde, für die Welt gerettet. Tatsächlich war Mendelssohns Engagement für den Thomaskantor eingebettet in eine allgemeine Bach-Renaissance: Beispielsweise erklang nur einige Wochen nach der Berliner Aufführung die Matthäuspassion auch bei einem Konzert des Cäcilienvereins in Frankfurt am Main, dirigiert von Johann Nepomuk Schelbe. Hier war also parallel geprobt worden. Wie die Berliner Singakademie durch ihren Leiter Zelter, war auch der Frankfurter Cäcilienchor dank Schelbe mit den Vokalwerken Bachs einigermaßen vertraut. Nur so konnten sich die Sänger in beiden Städten auf die Herausforderung dieser für damalige Ohren so fremden Musik einlassen.

Furcht vor dem Risiko 

Über das Risiko, das uns heute so vertraute Werk damals aufzuführen, schreibt der Freund Felix Mendelssohns und Sänger der Jesuspartie, Eduard Devrient, in seinen Erinnerungen: „Allgemein schreckte man auch zurück vor den unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche das Werk an sich – mit Doppelchor und Doppelorchester – dem Studium in den Weg legen würde . . . Schließlich wurde es sehr infrage gestellt: ob das Publikum auf ein so weltfremdes Werk eingehen werde? Man hatte wohl in geistlichen Konzerten hie und da ein kurzes Stück von Sebastian Bach der Merkwürdigkeit wegen hingenommen, nur die wenigen Kenner hatten Freude daran gehabt, jetzt aber sollte man einen ganzen Abend nichts als Sebastian Bach hören, der nur als unmelodisch, berechnend, trocken und unverständlich im Publikum bekannt war? Das würde als eine unverschämte Zumutung erscheinen.“

Worin bestand diese Zumutung? Der Musikwissenschaftler Emil Platen, einer der profundesten Kenner der Matthäuspassion, urteilt: „Was Mendelssohn und seine Zeitgenossen schreckte, waren die Polyfonie, der Kontrapunkt und die Rücksichtslosigkeit gegenüber der Singstimme, die Bach wie ein Instrument behandelt. Kurz: Der Thomaskantor war geachtet, aber nicht geliebt.“

Anders im Hause Mendelssohn. Dort blieb die Tradition über den Bachsohn Friedemann und den Bachschüler Kirnberger, beide Lehrer im Hause der Großmutter, seit Generationen lebendig. So war es auch Felix’ Großmutter, Babette Salomon, die dem 14-jährigen Jungen eine Abschrift der Matthäuspassion zu Weihnachten schenkte. Seither blieb das Werk Gesprächsthema der Familie Mendelssohn und aller, die in deren Haus in der Leipziger Straße 3 verkehrten: Und das war das ganze geistige und künstlerische Berlin.

Seit seinem 12. Lebensjahr sangen Felix und seine vier Jahre ältere Schwester Fanny in Carl Friedrich Zelters Singakademie. Dort studierten sie unter Zelters Anleitung in den privaten „Freitagsmusiken“ Vokalwerke Bachs ein: Motetten, Ausschnitte aus Kantaten und kleine Partien der Matthäuspassion, die komplette h-Moll-Messe und 1822/23 sogar die vollständige Johannespassion. Jedoch wurde keines dieser Werke öffentlich aufgeführt. Felix, im Besitz der Partiturabschrift der Matthäuspassion, vertiefte sich mehr und mehr in das Werk.

Moderne Instrumente 

Sein Freund und unermüdlicher Mitstreiter für eine öffentliche Präsentation des Opus, Eduard Devrient, erinnert sich: „Felix begann im Winter 1827 an einem Abend der Woche, gewöhnlich des Sonnabends, einen kleinen zuverlässigen Chor zu versammeln und seltene Musik zu üben. Bald legte er uns die verehrte Matthäuspassion vor. Nun ging uns eine neue Welt der Musik auf. Dass das Absingen des Evangeliums von verschiedenen Personen den Kern des Werkes abgab, frappierte uns ungemein. Felix nun war in das Werk so eingelebt, beherrschte seine Schwierigkeiten mit so viel Leichtigkeit und verstand es, seine lebendige Auffassung des Inhaltes so geschickt und bescheiden auf uns zu übertragen, dass uns natürlich und geläufig wurde, was bis dahin als rätselhafte musikalische Geheimsprache gegolten hatte.“

Im Januar 1829 beschlossen Mendelssohn und Devrient, die Matthäuspassion unter Felix’ Leitung öffentlich aufzuführen. Zunächst mussten sie Zelter überzeugen. Der hielt das Werk für zu schwierig, das Publikum für überfordert und prophezeite den „Rotznasen“, wie er die jungen Männer in seinem Zorn über deren Penetranz nannte, eine Pleite. Seine Zustimmung ließ er sich dennoch abtrotzen: ein Triumph für den nur zwanzigjährigen Felix und den acht Jahre älteren Freund.

Mendelssohn reduzierte die dreieinhalbstündige Passion auf ein für seine Zeitgenossen verträgliches Maß. „Im Sinne Bachs machte er alles falsch“, überspitzt der Dirigent Christoph Spering den Zugriff Mendelssohns auf das Werk. „Tatsächlich aber ist Felix’ Version die angemessene für den Konzertsaal. Sie ist kürzer und schmissiger.“ Und auch gefühliger, näher an der romantischen Empfindsamkeit, ferner dem standardisierten Affekt der barocken Rhetorik. Die einzige, leider vergriffene CD-Einspielung der wunderbaren Mendelssohn-Bearbeitung spielte Spering 1992 mit dem Chrorus Musicus Köln ein (2 CDs, Opus 111).

Mit der jahrzehntelangen Aufführungspause waren auch die barocken Aufführungstraditionen und -konventionen abgerissen. Das Bachsche Autograf musste interpretiert, ergänzt oder verändert werden. Die „Oboe da caccia“, die Bach fordert, war Mendelssohn unbekannt. Er ersetzte sie durch Klarinetten, ließ Cembalo und Gambe durch Klavier und Harfe ausführen. Die Alt- und Sopranstimmen, bei Bach von Knaben gesungen, wurden von Frauen ausgeführt.

Die Bearbeitung Mendelssohns bestand vor allem in Kürzungen: Von 13 Chorälen erklangen sechs, von 14 konzertanten Arien wurden nur vier übernommen, von elf Ariosi blieben sechs. Allein die 21 Chöre Bachs wurden erhalten. Mendelssohn konzentrierte sich auf den dramatischen Verlauf, bewahrte die Handlung, verwarf die kommentierenden Partien.

Mit feinsten Bleistiftstrichen trug Mendelssohn die Änderungen in seine Abschrift der Passion ein, die heute in der Bodleian Library in Oxford liegt. Zu seinen Eintragungen gehören auch Angaben betreffend Tempo und Dynamik, hinzugefügte Fermaten, harmonische Umdeutungen und Veränderungen bei den Vokalpartien im Dienste einer für seine Zeitgenossen bildhafteren Wirkung. Mit aller Vorsicht passte er das Werk der Ästhetik seiner Zeit an und eröffnete damit auch die Interpretationsgeschichte des Bachschen Opus Magnum: „In der Folge nahm sich jeder Interpret das aus der Matthäuspassion, was seinem Geschmack entsprach“, erklärt Christoph Spering. „All die Adagios, all die gefühlvollen Ausdeutungen einzelner Worte haben sich seit Mendelssohn etabliert.“

Die Leute standen Schlange 

Die Wiederaufführung unter Mendelssohn fand am Mittwoch, 11. März 1829 um sechs Uhr abends in der Berliner Singakademie statt und wurde ein epochaler Erfolg. Draußen wehte milde Frühlingsluft, in dem Schinkel-Bau herrschte drangvolle Enge: Der 900 Plätze fassende Konzertsaal sowie die Vorsäle und ein Saal hinter dem Orchester waren voll besetzt. Dennoch standen weitere 1000 Menschen vergebens um ein Billett an. Laut Tagesliste der Singakademie wirkten 158 Sängerinnen und Sänger mit, darunter die Stars der Königlichen Hofoper Berlin, die Primadonna Anna Milder-Hauptmann, die siebzehnjährige Pauline von Schätzel, Auguste Türrschmidt, Heinrich Stümer sowie, in der Partie des Jesus, der Bariton Eduard Devrient. „Der überfüllte Saal gab einen Anblick wie eine Kirche, die tiefste Stille, die feierlichste Andacht herrschte in der Versammlung, man hörte“, berichtet Felix’ Schwester Fanny am Tag nach der Premiere.

Für Bach freilich hatte es außerhalb jeder Vorstellungskraft gelegen, dass sein Werk jemals konzertant erklingen könnte, zudem gekürzt um die pietistischen Versdichtungen Picanders, die der Passion ihren kontemplativen Charakter geben. Umgekehrt lag es Mendelssohn fern, die Matthäuspassion in einer Kirche zu dirigieren. Nicht die erbaulichen Elemente interessierten ihn, sondern die dramatische Handlung. Sein Blick und der seiner Zuhörer galt nicht der theologischen, sondern der musikalisch-ästhetischen Seite der Passion. Aus dem liturgischen Werk wurde eine religiöse Kunstmusik, die den Weg durch die Konzertsäle antrat.

Auf die Aufführungen in Berlin und Frankfurt 1929 folgten Wiedergaben verschiedener Dirigenten in Breslau, Stettin, Königsberg, Kassel, Dresden und 1841 in der Leipziger Thomaskirche, dem Ort, an dem die Matthäuspassion erstmals – vermutlich in der Karfreitagsvesper des 11. April 1727 – erklungen war. Hier dirigiert Mendelssohn die Passion in der Reihe „Historische Konzerte“. So genannte historische Konzerte waren inzwischen in ganz Deutschland zu einer Publikumsmode geworden. Es entstand das, was wir heute Repertoire oder Literatur nennen, und Hand in Hand damit entstand die epochale Bedeutung der Interpretation. „Im Grunde schwimmen wir Interpreten doch alle“, gibt Christoph Spering zu bedenken. „Wie Mendelssohn es in seiner Zeit tat, so adaptieren auch wir die Passion mit unseren Mitteln und aus unserem Verständnis heraus.“

Passionen auf CD 

Mit schockierender Expressivität lässt Willem Mengelberg 1939 die Passion als Musiktheater in der Tradition Richard Wagners erscheinen (2 CDs, Philips). Günter Ramin bietet dagegen 1941 einen geradezu nüchtern-abgeklärten Bach-Stil auf (2 CDs, International Music Company). Den Mittelweg zwischen spätromantischem Pathos und Zurückhaltung der Nachkriegsmoderne beschreitet Karl Richter 1958 und 1979 (je 3 CDs, Deutsche Grammophon).

Die Wende in der Bach-Interpretation leitet Nicolaus Harnoncourt 1970 ein: klar, transparent, der barocken „Klangrede“ verpflichtet (Teldec, erneute Einspielungen 1985 und 1999). John Eliot Gardiner gefällt sich 1989 in kühl kalkulierter Brillanz mit kleiner Besetzung (DG/Archiv). Frans Brüggen bietet 1996 (bei Philips 2003 wieder erschienen) Originalinstrumente und Knabenstimmen auf. Der Brite Paul McCreesh (DG/Archiv) tritt 2003 in Minimalbesetzung mit einem Sänger pro Stimme an.

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Gesprächskonzerte:

Resonanz:

  • in: Bach-Magazin 1/2014: “ES GIBT REGELN”
  • in R(h)einkultur 1/2011: Christoph Spering – Entdecker musikalischer Raritäten
  • Klassik.com 08/2009: Die historische Aufführungspraxis ist verkommen!

 

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